Dezember 2016/Januar 2017
DIE STADTTEILZEITUNG
Vielleicht ist es das Norddeutsche, das hier zum Ausdruck kommt und mich anspricht: In Franken geboren, ist Ernst Volland in Wilhelmshaven aufgewachsen und in Varel zur Schule gegangen, der
Heimat meiner Großmutter. Ich habe das Städtchen vor Jahren einmal besucht und habe zu seinen Geschichten, die dort spielen, Bilder im Kopf. Zum Beispiel erinnere ich mich an das Denkmal „Die
Krabbenpulerin“, das dort auf dem Marktplatz steht. Ob Ernst Volland Krabben pulen kann? Ich kann das, mein Vater, der aus Bremerhaven stammte, hat es mir als Kind beigebracht.
Aber darüber schreibt Ernst Volland nicht. Er erzählt von seinen beiden Freundinnen, die er als Gymnasiast hatte, eine in Varel und die andere in Wilhelmshaven, und wie er die Wohnung der
Freundin in Varel im Winter mit Briketts der Wilhelmshavenerin heizte. Einmal besuchte er die Varel-Freundin in England, wo sie als Aupair-Mädchen arbeitete und die er an England verlor, und eine
seiner Zeichnungen zeigt den langen, schlaksigen Burschen mit Fahrrad auf dem Weg zur anderen Freundin. Es sind Erinnerungen, die er in seinen Geschichten und Zeichnungen verarbeitet, von seinen
Reisen, die ihn in viele Gegenden der Welt führten, von überraschenden Begegnungen. Immer gibt es etwas Bemerkenswertes zu berichten: wie es ihm gelang, sich der Bundeswehr zu entziehen; über
eine zufällige Übernachtung in einem alten Haus einer der Picasso-Frauen, wo Dutzende von Originalgemälden ungeordnet herumlagen; über die Messingtafel mit seinen Daten, die an seinem Geburtshaus
angebracht werden sollte aber nicht konnte; über hundert seiner Postkarten mit dem kritischen Reagan-Motiv, die Harry Belafonte kaufte, um sie an hundert seiner besten Freunde zu schicken; aber
auch über seine Reisen nach Auschwitz und Hiroshima oder nach Russland und Portugal, wo er ein Haus besitzt, seine Freundschaft mit dem russischen Fotografen Jewgeni Chaldej. Mit Blick für die
Besonderheiten oder die Komik einer Situation gibt der Autor seinen Geschichten jeweils einen gewissen Dreh.
Evelyn Weissberg und Hermann Ebling von der edition Friedenauer Brücke, die Ernst Volland jedem Autor als Verlag wünscht, hat ein Buch mit einer Auswahl der kleinen Geschichten herausgebracht,
die der Künstler, Fotograf und Grafiker satirischer und subversiver Plakate und Fotomontagen geschrieben hat. Die Texte werden ergänzt, zum Teil illustriert durch eine Reihe seiner Zeichnungen
und Montagen, zum Beispiel dem erwähnten Anti-Reagan-Plakat. Im Anhang gibt es – Volland über Volland – persönliche Daten des Autors. Es ist ein schönes, interessantes Buch entstanden, das uns
Ernst Volland von einer anderen Seite zeigt.
Sigrid Wiegand